REFERENZEN

Sekretär-Kommode in Esche

Schreibsekretär aus dem späten norddeutschen Biedermeier – Restaurierung und Einordnung

Dieser Schreib-Sekretär (spätes Biedermeier, ca. 1835–1848) zeigt die für Norddeutschland typische Zurückhaltung: klare Geometrie, betonte Flächen und ein helles, lebhaftes Furnierbild. Das Innenleben mit kleinen Laden, beinsfarbenen Zugknöpfen und einer ausgesägten Mittelöffnung verbindet Ordnung und Zweckmäßigkeit – genau jene Mischung aus Schlichtheit, Funktion und fein präsentiertem Holz, die den Biedermeier ausmacht.

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Restauratorischer Befund

Bei der Anlieferung in meine Restaurierungswerkstatt in Berlin zeigten sich kleinere Furnierverluste an Kanten und Schubfronten sowie ein stark gealterter, vergilbter Überzug. Solche Nachlackierungen stammen häufig aus dem 20. Jahrhundert (Nitrocelluloselacke setzten sich ab den 1920/30er-Jahren in der Möbelindustrie durch) und verfälschen Ton und Tiefe historischer Oberflächen.

Maßnahmen – Furnier, Lackreduktion, Politur

  • Furnierergänzungen: Fehlstellen wurden mit passendem, im Verlauf angepasstem Furnier eingesetzt, hohl liegende Partien mit warmem Haut/Knochenleim unterfüttert und plan niedergelegt. Anschließend erfolgte eine retusche mit Ton- und Glanzabgleich, damit die Ergänzungen optisch zurücktreten.

  • Lackreduktion: Der vergilbte Überzug wurde kontrolliert reduziert, um das originale Furnierbild wieder lesbar zu machen, ohne historische Substanz unnötig abzutragen.

  • Oberfläche: Der Aufbau einer Schellackpolitur mit Sandarak-Anteil (spirituöse Politur) verbindet Transparenz und Wärme des Schellacks mit der erhöhten Härte/Beständigkeit von Sandarak – ein historisch belegter Harzbestandteil in Möbelpolituren seit der Frühen Neuzeit.

Stil & Material – norddeutscher Kontext

Spätbiedermeierliche Sekretäre aus Deutschland betonen Symmetrie, ruhige Flächen und ein klares Furnierbild; regionale Werkstätten nutzten bevorzugt heimische Hölzer und deren Maserung als Ornament. In Nord- und Nordostdeutschland waren helle Hölzer (z. B. Birke, Esche/Ulme) verbreitet; Mahagoni und Frucht-/Laubhölzer ergänzten das Spektrum. Entscheidend ist die „lesbare“ Maserung – nicht aufgesetzte Zier, sondern das Holz selbst prägt den Eindruck

Ergebnis

Nach der Möbelrestaurierung präsentieren sich Furnierbild und Innenleben wieder geschlossen; die neuen Furnierstücke fügen sich unauffällig ein. Die Schellack-Sandarak-Politur bringt Tiefe und seidenen Glanz zurück, bleibt zugleich reparatur- und pflegefreundlich. So bewahrt der Schreibsekretär seine historische Anmutung – sachlich, klar und alltagstauglich – ganz im Sinne der Prinzipien Minimalintervention, Reversibilität und Materialverträglichkeit, die ich als Möbelrestaurator in Berlin verfolge.